Blog 27: KMU-Kauf und Minderheitenbeteiligung — was Sie dazu wissen müssen

Die Finan­zierung einer Unter­neh­mens­nach­folge kann eine Heraus­for­derung sein. Es gibt Ausgangs­lagen, da kann eine Finan­zierung durch die Bank schwierig werden (siehe dazu Blog 26). Auch bei einer Minder­hei­ten­fi­nan­zierung können Sie mit Heraus­for­de­rungen konfron­tiert sein. Was Sie berück­sich­tigen sollten, wenn sich Nachfol­ge­rinnen oder Nachfolger bereits früh mit einer Minderheit am KMU betei­ligen, damit befassen wir uns in diesem Blog.

Man kann die Nachfolge nicht früh genug angehen. Unter­neh­me­rinnen und Unter­nehmer, welche diese Empfehlung berück­sich­tigen, gewinnen Gestal­tungsraum und Möglich­keiten und haben damit oft die besseren Chancen, eine als gut und fair empfundene Nachfolge zu gestalten, die als nachhaltig angesehen wird. 

Es gibt Inhabe­rinnen und Inhaber von KMU, welche die Nachfolge nicht nur früh angehen wollen, sie haben auch den Wunsch, die operative Nachfolge über eine längere Zeit zu begleiten. In diesem Fall kann es vorkommen, dass die überge­bende Generation die poten­zi­ellen Nachfol­ge­rinnen oder Nachfolger bereits früh an das Unter­nehmen binden wollen. Zum Beispiel, indem sie die nachfol­gende Generation am Eigentum des KMU betei­ligen, in der Regel mit einer Minderheit am Kapital bis maximal 49.99% an Kapital- und Stimmrechten. 

Diese Minder­hei­ten­be­tei­ligung erfolgt oft in kleinen Quoten von 5%, 10%, 20% oder 30% — je nach Anzahl Nachfolger oder Nachfol­ge­rinnen. Die Inhaber behalten dabei immer die Mehrheit oder geben diese über eine vorher verein­barte Zeit an die Nachfolger ab.

Solche Regelungen findet man oft bei sogenannten “Partner­mo­dellen” im Dienst­lei­stungs­sektor (Rechts­an­wälte, Ingenieur­büros oder sonstige Beratungs­firmen), aber auch bei produ­zie­renden KMU.

Gründe für eine Minderheitenfinanzierung

Die Beweg­gründe für eine Minder­hei­ten­fi­nan­zierung sind unter­schiedlich. Viele Inhabe­rinnen oder Inhaber beabsich­tigen damit, die Kontroll­mehrheit über ihre Firma so lange zu haben, bis sie sicher sind, dass die nachfol­gende Generation — in ihren Augen — fähig und bereit ist, das ganze KMU zu übernehmen. Nachfol­ge­rinnen und Nachfolger lassen sich oft auf eine Minder­hei­ten­fi­nan­zierung ein, weil sie (noch) zu wenig Geld und Möglich­keiten haben, den vollstän­digen Kauf der Firma zu finan­zieren.

Oft reichen auch bei kleineren Betei­li­gungen die eigenen Mittel nicht, um den Kaufpreis vollständig zu erbringen. Wenn die Inhaber kein Verkäu­fer­dar­lehen für die Differenz gewähren wollen, dann wird ein Bankdar­lehen nötig. Je nach Finan­zie­rungs­bedarf und indivi­du­eller Vermö­gens­ver­hält­nissen kann es für die Nachfolger sinnvoll sein, das Bankdar­lehen nicht als klassische Aktien­kauf­fi­nan­zierung aufzu­nehmen, sondern — sofern möglich — z.B. die Hypothek auf ein privates Eigenheim zu erhöhen oder innerhalb der Familie (z.B. Erbvor­bezug) oder des Freun­des­kreises ein privates Darlehen aufzunehmen.

Die Nachfolger sind bei Minder­heits­be­tei­li­gungen in der Regel auf Gewinn­aus­schüt­tungen für die Tragbarkeit der Schulden (Zinsen und Reduk­tionen) angewiesen. Bei einer klassi­schen Aktien­kauf­fi­nan­zierung stützt sich die Bank deshalb auf die künftigen Gewinn­an­teile. Anders verhält es sich, wenn die Nachfolger über höhere Löhne oder Boni an der künftigen Gewinn­ent­wicklung beteiligt werden sollen.

Herausforderungen einer Minderheitenfinanzierung

Das Problem bei Minder­hei­ten­fi­nan­zie­rungen ist, dass Minder­heits­be­tei­ligte zwar finan­ziell beteiligt, am Ende aber eigentlich nichts zu sagen haben. Sie haben nicht die alleinige Verfü­gungs­gewalt. Das kann zu Heraus­for­de­rungen führen, wenn z.B. die übrigen Aktionäre oder der Haupt­ak­tionär nicht einver­standen sind mit einer geplanten Gewinn­aus­schüttung oder diese weniger hoch beantragen. So können Entscheide zustande kommen, die nicht im Interesse des oder der Minder­heits­be­tei­ligten sind, die ihre Betei­ligung z.B. über eine Bank finanzieren.

Ebenfalls kritisch ist es, wenn von den Mehrheits­ak­tio­nären wichtige strate­gische Entscheide gefällt werden, welche künftige Gewinne des Unter­nehmens bewusst reduzieren (grosse Wachs­tum­sam­bi­tionen, Eintritt in neue Märkte, Verkauf eines Unter­neh­mens­an­teils, etc.). 

Um mit diesen Risiken umzugehen, ist im Interesse der Nachfolger und der finan­zie­renden Bank ein guter Aktio­närs­bin­dungs­vertrag (gleich­wer­tiger Gesell­schaf­ter­vertrag bei einer GmbH) nötig, welcher Minder­heits­be­tei­ligte und ihre Inter­essen schützt. So können u.a. Regelungen getroffen werden, die z.B. Einstim­migkeit bei wichtigen Entschei­dungen verlangen und bei der Gewinn­ver­wendung die Inter­essen der Minder­heiten berück­sichtigt (z.B. Regelung einer bestimmten Gewinn­quote in % oder in CHF).

Wenn die Käufer­schaft (Nachfolger) die Finan­zie­rungs­kosten über Löhne und/oder Boni tragen können, dann sind Regelungen in einem Aktio­närs­bin­dungs­vertrag aus Banksicht weniger im Fokus, im Interesse der Nachfolger aber dennoch zu empfehlen. Dann steht nicht unbedingt die Gewinn­ver­wendung im Fokus, sondern meistens einzelne Aspekte der Entschä­digung aus dem Arbeits­ver­hältnis (Regelung im Arbeits­vertrag) für die Minder­heits­be­tei­ligte sowie Regelungen von Kauf- und Verkaufs­rechte für die Parteien.

Aktionärsbindungsvertrag

Wo immer mehrere Parteien an einem Unter­nehmen beteiligt sind, sind klare Verhält­nisse von Vorteil. Der Aktio­närs­bin­dungs­vertrag (ABV) regelt genau dieses Verhältnis zwischen den Eigen­tümern (Aktio­nären), ausserhalb der Statuten. Es geht darum, die Beziehung zwischen den Aktio­nären festzu­halten, wie auch ihre Rechte und Pflichten unter­ein­ander zu definieren. Für eine GmbH kann analog ein Gesell­schaf­ter­vertrag geschlossen werden. Wie bei einem Ehevertrag geht es in der Praxis darum, das Vorgehen bei möglichen Szenarien wie Austritt, Handlungs­un­fä­higkeit oder Tod eines Aktionärs vertraglich zu regeln, damit der Fortbe­stand des Unter­nehmens im Interesse der Eigentümer:innen sicher­ge­stellt werden kann.

Es gibt gesetzlich keine inhalt­lichen Vorschriften für einen Aktio­närs­bin­dungs­vertrag; jedoch haben sich in der Praxis geeignete Formen bewährt, welche firmen­spe­zi­fisch angepasst werden können und müssen. Hier finden Sie eine Check­liste, die als Orien­tie­rungs­hilfe gelten kann, eine indivi­duelle Beratung aber nicht ersetzt. Ziehen Sie bei Fragen oder einer konkreten Ausge­staltung einen Rechts­anwalt mit Nachfolge-Erfahrung oder einen Treuhänder hinzu.

Schlussfolgerungen

Grund­sätzlich kann man dazu sagen: die Finan­zierung von Unter­neh­mens­nach­folgen ist in der Regel allein schon eine grosse Heraus­for­derung. Bei Spezi­al­si­tua­tionen, wie oben aufge­führt, erschwert es die Finan­zierung zusätzlich. Situa­tionen, die eine Bankfi­nan­zierung erschweren und damit eine Nachfol­ge­fi­nan­zierung noch heraus­for­dernder gestalten, haben wir im Blog-Beitrag 26 ausgeleuchtet:

  • Laufender Covid-19-Kredit
  • Ausser­or­dent­liche Investitionen
  • Mehrere Fremd­ka­pi­tal­geber

Jede Nachfolge ist indivi­duell zu betrachten, dasselbe gilt für Nachfol­ge­fi­nan­zie­rungen. Was man grund­sätzlich sagen kann: wenn im Rahmen von Nachfol­ge­re­ge­lungen eine Bankfi­nan­zierung aufge­nommen werden soll, ist so früh wie möglich das Gespräch mit der Bank zu suchen. Damit ist sicher­ge­stellt, dass die Käufer­schaft und die Bank sich frühzeitig gegen­seitig infor­mieren und dabei ihre Vorstel­lungen und Möglich­keiten von Anfang an darlegen können. Zudem können auch die dafür nötigen Voraus­set­zungen und Erwar­tungen besprochen werden.

Im Falle einer Minder­hei­ten­fi­nan­zierung lautet eine zusätz­liche Empfehlung, sich frühzeitig und sorgfältig zu infor­mieren und mit einer Fachperson einen Aktio­närs­bin­dungs­vertrag aufzusetzen.

Mehr zum Thema

Für alle, die sich vertieft mit dem Thema “KMU Nachfolge und Finan­zierung” ausein­an­der­setzen möchten, haben wir folgende Inhalte aufbereitet:

Im Download-Center finden Sie unter dem Schlagwort “Trans­ak­ti­ons­kosten” ergän­zende Arbeits­blätter zum Thema.

Fotonachweis: Shutter­stock

ÜBER DANIELE RUGGERI

Daniele Ruggeri ist langjäh­riges Kader­mit­glied der Zürcher Kanto­nalbank und verfügt über grosse Erfahrung in der Finan­zierung von KMU. Er war viele Jahre als Firmen­kun­den­be­treuer von KMU tätig. Sein heutiges Kernthema ist die Begleitung und Finan­zierung von Nachfol­ge­lö­sungen von KMU. Als Dozent an verschie­denen Weiter­bil­dungs­in­sti­tuten gibt er sein theore­ti­sches und prakti­sches Wissen zum Thema Nachfol­ge­fi­nan­zie­rungen weiter.