Blog 23: Wie verhandle ich einen fairen Verkaufspreis — trotz Emotionen?

Die meisten Unter­neh­me­rinnen und Unter­nehmer schätzen den tatsäch­lichen Wert ihres Betriebs um das Drei- bis Fünffache zu hoch ein. Der Grund dafür sind die Emotionen der Firmen­in­ha­be­rinnen und ‑inhaber, mit denen sie an das Thema heran­gehen — meistens unbewusst. Wir zeigen Ihnen Möglich­keiten auf, wie Sie sich Ihrer Emotionen bewusst werden und erklären das Modell des “Emotio­nalen Wertes”, das Emotionen greif­barer macht..

Wer ein Unter­nehmen hat, steckt über Jahre hinweg viel Energie und Herzblut in die eigene Firma — die meisten Unter­neh­me­rinnen und Unter­nehmer sind mit der Firma emotional verbunden. Unter­neh­mertum ohne Emotion, das ist schwer vorstellbar. Und notabene auch nicht das Ziel. Tatsache ist aber, dass bei Nachfol­ge­pro­zessen diese emotionale Verbun­denheit nicht nur den Rückzug aus dem Tages­ge­schäft erschweren können, sondern auch eine reali­stische Einschätzung des Unter­neh­mens­wertes. Beides kann einen Nachfol­ge­prozess behindern oder sogar komplett ausbremsen.

Was kann nun eine Unter­neh­merin oder ein Unter­nehmer tun, damit dies nicht geschieht? Unsere erste und sogleich wichtigste Empfehlung: werden Sie sich bewusst, welche Emotionen Sie empfinden.

Emotionen, die einem nicht bewusst sind, können einen Nachfol­ge­prozess ausbremsen und Preis­ver­hand­lungen unnötig erschweren.

Was logisch tönt, kann als Prozess ganz schön anspruchsvoll sein. Viele Unter­neh­me­rinnen und Unter­nehmer sind mit ihrem Betrieb gewachsen und verwoben, viel Wissen und ein grosser Erfah­rungs­schatz ist implizit vorhanden, vieles davon unbewusst. So ist es auch mit der emotio­nalen Verbun­denheit. Wie identi­täts­stiftend die Firma mögli­cher­weise für die Inhaberin oder den Inhaber ist — um nur ein Beispiel zu nennen -, wird vielen oft erst nach der Übergabe des Betriebes so richtig bewusst.

Anders kann es verlaufen, wenn sich Inhabe­rinnen und Inhaber frühzeitig und sehr ehrlich mit verschie­denen Fragen ausein­an­der­setzen. Das kann eigen­ständig geschehen, oder indem man sich zum Beispiel Unter­lagen besorgt, die einen Denkprozess in Gang setzen. Eine weitere Möglichkeit sind Sparringpartner:innen, Coaches oder Personen aus dem eigenen Umfeld, mit denen man Fragen kritisch reflek­tiert, um für sich Erkennt­nisse oder Klarheit zu erlangen.

Diese Klarheit ist für einen Nachfol­ge­prozess in vielerlei Hinsicht relevant. Auch dann, wenn es darum geht, für Ihr Unter­nehmen einen Preis zu definieren.

Wert, Emotionen und Finanzierbarkeit

Wert und Preis sind zentrale Grössen, wenn es darum geht, eine Firma zu verkaufen oder zu kaufen. Wer ein Unter­nehmen kauft, möchte wissen, was es kostet. Und wer ein Unter­nehmen übergibt, will wissen, was er oder sie für die Firma erhält. Für unsere nachfol­genden Überle­gungen zentral, ist die Aussage, dass Wert nicht gleich Preis ist. Aus Sicht des Käufers oder der Käuferin könnte man auch sagen: “Wert ist das, was du bekommst – Preis ist das, was du bezahlst”.

Lediglich 10–15 Prozent der mittel­stän­di­schen Unter­nehmen schätzen den Wert ihrer Firma reali­stisch ein.

Den Preis eines Unter­nehmens festzu­setzen ist Verhand­lungs­sache zwischen der überge­benden und der überneh­menden Partei. Die Grundlage der Verhandlung sind drei Dimensionen:

Bei jeder der drei Dimen­sionen gilt es verschiedene Arbeits­schritte zu berück­sich­tigen. Auf unserer Plattform finden Sie zu den einzelnen Dimen­sionen je ein separates Dossier und Hilfs­mittel, die im Laufe des Jahres 2022 publi­ziert werden. In diesem Blogbeitrag vertiefen wir den Aspekt “Emotio­naler Wert”.

Die emotionale Bedeutung der Firma

Die Emotionen, welche das Unter­neh­mer­dasein mit sich bringt, sind vielfältig: Stolz und Freude über Erreichtes, Ängste und Zweifel während Krisen, das Gefühl, etwas zu gestalten und Einfluss nehmen zu können, ein gewisses Ansehen im geschäft­lichen und im persön­lichen Umfeld und viel Austausch, Erleb­nisse und Kontakte im Netzwerk an Geschäfts­partnern, Mitar­bei­tenden, Kundinnen und Kunden.

Je nachdem, wie eine Person das Unter­neh­mer­dasein erlebt, entsteht ein “Emotio­naler Nutzen”, sofern die Emotionen im Hinblick auf das Unter­neh­mer­dasein positiv sind. “Emotionale Kosten” entstehen, wenn eine Person das Unter­neh­mer­dasein emotional negativ erlebt. Der Saldo dieser beiden Grössen ergibt den “Emotio­nalen Wert”. Dieser kann positiv oder negativ ausfallen:

Abb. 1: Der “Emotionale Wert” fällt positiv oder negativ aus, je nachdem wie gross der “Emotionale Nutzen” und die “Emotio­nalen Kosten” sind.

Der “Emotionale Nutzen” und die “Emotio­nalen Kosten” können die Kaufpreis­vor­stel­lungen und im Endeffekt den Verkaufs­preis in unter­schied­liche Richtungen beein­flussen. In unserem Modell sprechen wir von einem “Emotio­nalen Abschlag” (Discount) oder einem “Emotio­nalen Aufschlag”:

Abb. 2: Wenn Emotionen die Kaufpreis­vor­stel­lungen direkt beeinflussen.

Beim “Emotio­nalen Abschlag” verzichtet eine Partei auf einen Teil des fairen Markt­wertes und damit des Verkaufs­preises. Die Gründe dafür können unter­schiedlich sein, wie die Beispiele unten zeigen. Beim Aufschlag findet eine Preis­ma­xi­mierung statt.

Auch eine poten­zielle Käuferin oder ein poten­zi­eller Käufer sollte sich dieselben Überle­gungen machen. Ein KMU zu übernehmen, kann je nach Hinter­grund, ebenfalls emotionale Kosten oder einen emotio­nalen Nutzen verur­sachen und sich in den Preis­ver­hand­lungen spiegeln.

“Emotionaler Abschlag”: Emotionen, die bewirken können, dass jemand beim Preis entgegenkommt

Ein “Emotio­naler Abschlag” kann sich beispiels­weise folgen­der­massen zeigen: Ein Überge­berin ist stolz darauf, dass die nächste Generation, die bereits im Unter­nehmen arbeitet und ihren Beitrag zu dessen Weiter­ent­wicklung geleistet hat, das Unter­nehmen übernehmen will. Die Tatsache, dass die unter­neh­me­ri­schen Famili­en­tra­dition fortge­führt wird, der mütter­liche Stolz und die Anerkennung der bishe­rigen Leistung der jungen Generation sind ihr einen Preis­ab­schlag wert. Sie freut sich, dass das Unter­nehmen in ihrem Sinne weiter­ge­führt wird. 

Ein “Emotio­naler Abschlag” kann aber auch aus einem ganz anderen Grund erfolgen. Beispiels­weise dann, wenn ein Unter­nehmer unter gesund­heit­lichen Folgen der unter­neh­me­ri­schen Verant­wortung leidet. Diese Situation kann ihn dazu bewegen, einem Nachfolger oder einer Nachfol­gerin einen Preis­ab­schlag zu gewähren, weil er froh ist, seine unange­nehme Situation zu verändern und aus der unter­neh­me­ri­schen Verant­wortung aussteigen zu können.

“Emotionaler Aufschlag”: Emotionen, die zur Preismaximierung führen können

Auch der “Emotionale Aufschlag” kann verschiedene Hinter­gründe haben. Ärgert sich beispiels­weise ein Unter­nehmer über das Verhalten eines Kader­mit­ar­beiters, der das Unter­nehmen im Rahmen eines Management Buy Outs (MBO) übernehmen möchte, dann wird er versuchen, eine Preis­ma­xi­mierung mittels eines Aufschlags zu erreichen, im Sinne von: “Jetzt möchte ich für diesen Frust entschädigt werden.”

Es kann auch sein, dass eine Unter­neh­merin in einer Weise an ihrem Unter­nehmen hängt, dass sie der Überzeugung ist, dass niemand dieses an ihrer Stelle fortführen könne. “Nicht über meine Leiche” könnte hier eine passende Beschreibung dieser Situation und eines hohen “Emotio­nalen Aufschlags” darstellen.

Für sich zu wissen, welchen Wert das Unter­nehmen emotional darstellt, und sich bewusst zu sein, dass dieser “Emotionale Wert” den Verkaufs­preis direkt oder indirekt beein­flussen kann, kann für die überge­bende wie auch für die überneh­mende Generation hilfreich sein.

Emotionen versachlichen

Ein weiterer Ansatz, der helfen kann, sich Emotionen bewusst zu werden, ist eine sorgfältige Prüfung des Unter­nehmens, bevor es bewertet wird, eine sogenannte “Due Diligence”. Eine umfas­sende Due Diligence vermittelt dem Käufer und dem Verkäufer vor der Trans­aktion den möglichst objek­tiven Wert des Unter­nehmens und gibt einen Überblick über die mit dem Erwerb verbun­denen Risiken. 

Bei einer solchen Bestan­des­auf­nahme werden die Unter­neh­mens­daten offen­gelegt, aufge­ar­beitet und analy­siert. Es werden auch poten­zielle Risiken, das poten­zielle Einkommen und andere Verpflich­tungen analy­siert. Insbe­sondere die nachfol­gende Generation lernt auf diese Weise das Unter­nehmen detail­liert kennen. Die Infor­ma­ti­ons­asym­metrie, die in der Regel zwischen der bishe­rigen und der nachfol­genden Generation besteht, wird damit kleiner.

Jedem Nachfolger, jeder Nachfol­gerin steht das Recht zu, Wert und Risiken zu erfahren und dafür eine umfas­sende Analyse der Unter­neh­mens­daten durch­führen zu lassen. 


Niemand kennt das Unter­nehmen in der Regel besser als der Verkäufer. Die Innen­sicht birgt jedoch auch die Gefahr, dass wichtige Tatsachen ausge­blendet werden. Wenn poten­zielle Nachfolger:innen Fragen stellen, hat das nichts mit einem Misstrau­ens­votum zu tun. 

Zu einer für beide Parteien sauber geregelten Nachfol­ge­lösung gehört eine Due Diligence. Am besten wird sie von einer unabhän­gigen, von beiden Verhand­lungs­par­teien akzep­tierten Fachperson durchgeführt. 

Bei der sorgfäl­tigen Prüfung sämtlicher Unter­neh­mens­aspekte werden Fragen aufkommen, die nicht immer einfach zu beant­worten sind. Werden dabei sämtliche Chancen und Risiken offen­gelegt, die das Unter­nehmen in sich trägt, gewinnen beide Parteien. Die überge­bende Generation weiss, welchen Wert sie übergibt – die nachfol­gende Generation weiss, was auf sie zukommt. Damit kann das Gefühl oder die Emotion im Bezug auf den Wert des Unter­nehmens etwas “ratio­na­li­siert” und damit greif­barer gemacht werden.

Der “faire” Verkaufspreis

Zusam­men­fassend kann man sagen, dass Unter­neh­me­rinnen und Unter­nehmer, die in den Verhand­lungen einen fairen Verkaufs­preis erzielen möchten, diffe­ren­ziert und reflek­tiert einige Aspekte berück­sich­tigen sollten:

  • Sich mit den eigenen Emotionen ausein­an­der­setzen und sich derer bewusst werden
  • Sich bewusst sein, dass Emotionen den Verkaufs­preis in Form eines Ab- oder Aufschlages beein­flussen können
  • Eine sorgfältige Prüfung des Unter­nehmens veran­lassen und Chancen und Risiken reflek­tieren und offen­legen (Due Diligence)
  • Eine Unter­neh­mens­be­wertung erstellen
  • Sich der Wertdis­kussion stellen und dabei auch die Zukunft berücksichtigen
  • Sich bewusst sein, dass der Wert des Unter­nehmens nicht der Verkaufs­preis ist

Wer so vorbe­reitet in die Preis­ver­hand­lungen geht, auch als nachfol­gende Generation, kann davon ausgehen, dass die Diskussion um Preis und Wert eine andere Qualität haben wird und das Verhand­lungs­er­gebnis wahrscheinlich nachhal­tiger auf verschie­denen Ebenen. Ein “fairer” Preis erfüllt nicht nur bestimme objektive Kriterien, es ist auch ein Preis, der von beiden Seiten als fair empfunden wird.

Mehr zum Thema “KMU Bewertung und emotionaler Wert”

Für alle, die sich vertieft mit dem Thema “KMU Nachfolge und der emotionale Wert” ausein­an­der­setzen möchten, haben wir nützliche Inhalte aufbereitet:

Im Download-Center finden Sie zudem unter dem Schlagwort “Trans­ak­ti­ons­kosten” ergän­zende Arbeitsblätter.

Fotonachweis: Shutter­stock | Abbil­dungen: © St. Galler Nachfolge

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Monika Waldburger

Monika Waldburger ist in einem Familienunternehmen aufgewachsen. Sie kennt die Welt der KMU und weiss, wie komplex und vielfältig ein Nachfolgeprozess sein kann. Ihr beruflicher Werdegang ist vielfältig. Heute begleitet sie als Kommunikationsexpertin, zertifizierter Coach DBCA und Inner Change®–Coach (i.A.) Menschen und KMU im Wandel.