Blog 29: Beratungsdienstleistungen rund um die KMU Nachfolge — eine Einordnung

Die Nachfol­ge­be­ratung als Dienst­lei­stung hat in den letzten Jahren gegenüber früher stark an Bedeutung gewonnen. Das sagt Josef Bühler, der als Nachfol­ge­be­rater seit vielen Jahren Unter­nehmen beim Genera­tio­nen­wechsel begleitet. Welche Gründe er dafür sieht und welche Arten der Nachfolge-Dienst­lei­stung er unter­scheidet, führt er in diesem Gastbeitrag aus.

Der Genera­tio­nen­wechsel bei einem KMU ist je länger je weniger ein Selbst­läufer und die unter­neh­mens­externe Nachfolge gewinnt zunehmend an Bedeutung. Gleich­zeitig gibt es immer mehr Dienst­lei­stungen rund um das Thema Nachfolge. Dies drei Haupt­gründe, weshalb die Nachfol­ge­be­ratung als Dienst­lei­stung während den letzten Jahren gegenüber früher an Bedeutung gewonnen hat.

  • Der Genera­tio­nen­wechsel ist heute noch weniger ein „Selbst­läufer“ wie früher. Ein Unter­nehmen wird nur noch selten selbst­ver­ständlich und ohne viel Aufhebens innerhalb der Familie auf die nächste Generation übertragen. Der überneh­menden Generation stehen im Vergleich zu früher viel mehr Wege offen (Stichwort: Multi­op­ti­ons­ge­sell­schaft) und der Wunsch, sich selbst zu verwirk­lichen und die Work-Life-Balance zu bewahren, sind Werte, welche die jüngere Generation prägt. Auch die zuneh­mende Akade­mi­sierung stellt eine neue Heraus­for­derung dar für Nachfolgeprozesse.
  • Die Bedeutung der famili­en­ex­ternen Unter­neh­mens­nach­folge hat zugenommen. Gleich­zeitig sind in den letzten Jahren die Verkaufs­preise tenden­ziell gestiegen. Dies bedeutet, dass das Interesse von insti­tu­tio­nellen Investoren auch im KMU-Bereich gewachsen ist und anders gelagerte Inter­essen ins Zentrum gestellt werden wie bisher.
  • Immer mehr Dienst­leister verschie­dener Herkunft möchten sich für ihre Zwecke einen Teil des Kuchens dieser inter­es­santen Mandate abschneiden. Entspre­chend haben auch Fachse­minare mit verschie­densten Schwer­punkten und von unter­schied­lichsten Anbietern Hochkon­junktur. Die Trans­ak­ti­ons­ori­en­tierung ist in den letzten Jahren stark gestiegen.

Wer bietet Nachfolgeberatung an?

Die besten Voraus­set­zungen, um von einer Unter­neh­merin oder einem Unter­nehmer mit der Unter­neh­mens­nach­folge betraut zu werden, haben Dienst­lei­ste­rinnen und Dienst­leister, die bereits mit dem Auftrag­geber zusam­men­ar­beiten und wirtschaftlich orien­tiert sind. Dienst­lei­stende, die bereits eine Kunden­be­ziehung haben zur Unter­neh­merin oder zum Unter­nehmer kennen die Vorge­schichte der Firma und ihrer Schlüs­sel­per­sonen und haben Zugang zu den aktuellen Entschei­dungs­trägern. In der Regel handelt es sich dabei um Fachex­per­tinnen und ‑experten aus den Diszi­plinen Wirtschafts­prüfung, Treuhand, Steuer­be­ratung, Advokatur oder Hausbank.
Weniger offen­sichtlich, doch auch immer wieder angefragt, werden prozess­ori­en­tierte Dienst­leister, die sich — im Gegensatz zu Fachbe­ra­te­rinnen und ‑beratern — auf Frage­stel­lungen fokus­sieren rund um Familie, Persön­lichkeit, Teament­wicklung, Strate­gie­ent­wicklung, Kommu­ni­kation oder Business-Coaching.

Bei der Fachbe­ratung und Prozess­be­ratung handelt es sich um zwei unter­schied­liche Beratungs­an­sätze mit unter­schied­lichen Diszi­plinen (siehe dazu auch: Beratung ist nicht gleich Beratung | Schrift Nr. 12: KMU Nachfolge-Beratung):

Abb. 1: Beratungs­formen bei einem Nachfol­ge­prozess (i.A. Halter, Schröder 2022, S. 211). 


Welche Themen werden im Rahmen einer Nachfolgeberatung behandelt?

Die Themen bei einer Unter­neh­mens­nach­folge sind vielfältig und vielschichtig und betreffen sowohl sogenannte Hard-Factor-Themen (z.B. Finanzen, recht­liche Fragen) wie auch Soft-Factor-Themen (Themen, bei denen es um Menschen, Bezie­hungen, Gefühle geht).

Inhaltlich unter­scheide ich zwischen drei verschie­denen Ebenen, die je nach gewählter Nachfolge-Lösung unter­schiedlich ins Gewicht fallen und bei der Nachfol­ge­be­ratung entspre­chend zum Tragen kommen.

Abb. 2: Drei Ebenen der Nachfolgeberatung 

Bei der Ebene “Fachliche Themen” geht es um Aspekte wie Betriebs­wirt­schaft, Zivil- oder Steuer­recht. Die Ebene “Prozess­themen” umfasst technische, organi­sa­to­rische und kommu­ni­kative Prozesse, die sicher­ge­stellt werden müssen. Auf der Ebene “persön­liche Themen” geht es Aspekte wie Loslassen, es geht um Kompe­tenzen und Fähig­keiten der überneh­menden Generation oder um Teament­wick­lungs­mass­nahmen, um einige Beispiele zu nennen.

Ebene “Fachliche Themen

Die offen­sicht­lichsten Themen bei einem Nachfol­ge­prozess sind jene auf der fachlichen Ebene. Dazu gehören Aspekte wie Unter­neh­mens­be­wertung, das Lösen zivil­recht­licher und steuer­recht­licher Fragen. Es handelt sich dabei um sogenannte „Hard-Factor-Themen”, ohne deren Bearbeitung eine Unter­neh­mens­nach­folge in der Regel nicht lösbar ist. Vermutlich stehen sie auch deshalb meist im Zentrum der Beratung von vielen Nachfolgeberater:innen. Die Lösung dieser Themen ist mit dem heutigen Wissens­stand von Fachex­per­tinnen wie z.B. Wirtschafts­prüfern, Juristinnen und Steuer­be­ratern meist gut zu bewäl­tigen oder eben, wie auf der Webseite vieler Anbieter zu lesen ist, „zu regeln“.

Der oft verwendete Terminus „Nachfolge-Regelung“ dürfte nicht unwesentlich dazu beitragen, dass die invol­vierten Parteien mitunter der Auffassung sind, dass man mit der klaren analy­ti­schen Bearbeitung der Themen den Genera­tio­nen­wechsel „geregelt“ bekommt. Die Nachfolge wird so oft – vor allem famili­en­intern oder unter­neh­mens­intern — zu einem techni­schen Projekt „degra­diert“. Dies ist meines Erachtens aber aus verschie­denen Gründen ein Trugschluss. Ein anschau­liches Beispiel dafür ist die Unter­neh­mens­be­wertung, als solche ein Teilaspekt der Nachfol­ge­re­gelung: Möchte man den Preis der Firma herleiten, braucht es einer­seits die rationale und fachkundige Bewertung des Unter­nehmens. Anderer­seits spielen Emotionen eine massgeb­liche Rolle, um den Preis letzt­endlich zu definieren (siehe dazu auch: KMU Nachfolge und der emotionale Wert).

Ebene “Prozess­themen

Die Prozess­themen beinhalten sowohl Hard- wie auch Soft-Factor-Aspekte. Zu den Hard-Factor-Aspekten gehören Fragen rund um den Prozess­ablauf der Unter­neh­mens­nach­folge, wie z.B. organi­sa­to­rische Fragen, Fragen zur Termin­klärung, das Führen einer To-Do-Liste und ähnliche Aufgaben. Im Gegensatz dazu sind Fragen rund um die Kommu­ni­kation und darum, wie man die Trans­for­mation zwischen zwei Genera­tionen oder innerhalb eines Unter­nehmens gestalten möchte klare Soft-Factor-Themen der Prozess­ge­staltung. So verstanden handelt es sich bei der Unter­neh­mens­nach­folge nicht ausschliesslich um ein Projekt-Management im engeren Sinn, sondern je nach Situation um eine feinfühlige und situative Nachfolge-Gestaltung. Von der fachlichen Zustän­digkeit her könnten für die Hard-Factor-Themen zum Bespiel Fachper­sonen aus der Organi­sa­ti­ons­ent­wicklung wirken, während für die Soft-Factor-Themen Beratungs­per­sonen mit Kommu­ni­ka­ti­ons­expertise im Vorder­grund stehen.

Ebene “Persön­liche Themen

Oft spielen bei den invol­vierten Schlüs­sel­per­sonen die indivi­duelle Persön­lichkeit, Routine und Muster hinein, die je nach Situation für den Nachfol­ge­prozess fördernd oder hindernd sein können. Ich denke da zum Beispiel an Fähig­keiten und Kompe­tenzen der Invol­vierten, an den Prozess des Loslassens, Selbstein- und auch ‑überschätzung sowie an die Art und Weise, wie Bezie­hungen gepflegt werden oder mit Ängsten umgegangen wird. Solche Themen anzusprechen, ist eine Heraus­for­derung und daran zu arbeiten, ist für alle anspruchsvoll. Um diese Themen erfolg­reich bearbeiten zu können, braucht es persön­liche Fachkom­petenz, meistens viel Zeit und ein ausge­prägtes Vertrau­ens­ver­hältnis zwischen der beratenden Fachperson und dem betrof­fenen Individuum. Berufs­leute, die das Vertrauen der Unter­neh­mer­schaft in diesem Bereich gewinnen, bezeichne ich als persön­liche Berater:innen.

Nachfolgeberatung als ergänzende oder eigenständige Dienstleistung

Nachfol­ge­be­ratung als Dienst­lei­stung kann sich ergänzend aus Diensten ergeben, die bereits beim Kunden gelei­steten worden sind oder als eigen­ständige Beratung, wenn sich ein Dienst­leister auf das Thema Nachfolge spezia­li­siert hat.

Eine Nachfol­ge­be­ratung als ergän­zende Dienst­lei­stung liegt zB vor, wenn eine Buchhal­terin oder der Wirtschafts­prüfer, der als ursprüng­liche Dienst­lei­stung die Bücher führt und prüft, auch mit der Nachfolge betraut wird. Oder wenn die Juristin, die als ihre ursprüng­liche Kompetenz juristische Fragen löst und Rechts­aus­künfte erteilt, dank dem Vertrau­ens­ver­hältnis und als langjährige Wegbe­glei­terin des Unter­nehmens mit dem Thema der Nachfolge beauf­tragt wird.

Bei einer Nachfol­ge­be­ratung als ergän­zende Dienst­lei­stung sollten folgende Fragen kritisch gestellt und Antworten darauf gegeben werden:

  • Besteht die Gefahr, dass der langjährige Dienst­leister bei sogenannten Bestandes-Kunden hinsichtlich dem bevor­ste­henden Genera­tio­nen­wechsel “blinde Flecken” hat und ihm als Folge davon die notwendige oder gewünschte Distanz fehlt? 
  • Ist die langjährige Dienst­lei­sterin kompetent für die weiter­füh­renden Themen der oben umschrie­benen thema­ti­schen Ebenen 2 und 3 und kann sie diesen gerecht werden oder ist es mögli­cher­weise zu viel “Neuland” ausserhalb der eigenen Kernkompetenz

Vor allem Themen der persön­lichen Ebene lassen sich nicht allein mit betriebs­wirt­schaft­lichen und juristi­schen Kennt­nissen lösen; vielmehr ist dieses oft “sich Bewegen in seichtem und oft trüben psycho­lo­gi­schem Gewässer” anspruchsvoll und mit vielen Unwäg­bar­keiten — ja gar mit nicht erklär­baren Irrungen und Wirrungen — verbunden. Das Waten in solchen Gewässern verlangt meistens sehr viel Finger­spit­zen­gefühl und insbe­sondere die Fähigkeit des Beraters und der Beraterin, ganz genau hinzu­hören und nicht nur auf sondern ebenso zwischen den Zeilen zu lesen.

Nachfol­ge­be­ratung als eigen­ständige Dienst­lei­stung
Den Beruf der Nachfol­ge­be­ratung als solches gibt es nicht. Es gibt aber auf das Thema Nachfolge spezia­li­sierte Dienst­lei­ste­rinnen und Dienst­leister. Gleichwohl sind die Dienst­lei­stungen, die dahin­ter­lie­genden Geschäfts­mo­delle und Erfah­rungen sehr unter­schiedlich, sodass Berufs­leute jedwelcher Herkunft sich als Nachfol­ge­be­rater bezeichnen (können). Unter­neh­me­rinnen und Unter­nehmer haben es so schwer, die Spreu vom Weizen zu trennen und die passende Form zu finden. 

Im Kern können und müssen drei mögliche Settings in Verbindung mit der bevor­ste­henden Komple­xität für die Zusam­men­arbeit reflek­tiert werden:

  • Variante I: Die überge­bende Unter­neh­merin selbst behält die Verant­wortung für den Nachfol­ge­prozess und setzt punktuell Spezia­listen ein, um fachspe­zi­fische Fragen (mit Hard-Factor und Soft-Factor-Aspekten) zu klären.
  • Variante II: Der überge­bende Unter­nehmer beauf­tragt mit dem Nachfolge-Mandat einen unabhän­gigen Genera­listen, der mit Hard- und Soft-Factor-Fragen vertraut ist; dieser löst aufgrund seines Fachwissens und der Erfahrung die anste­henden Fragen selbst.
  • Variante III: Die überge­bende Generation beauf­tragt mit dem Nachfolge-Mandat eine Prozess­be­ra­terin mit „GU-Kennt­nissen”; diese treibt den Nachfolge-Prozess voran, indem sie für die Lösung von Einzel­fragen Fachspe­zia­listen beizieht, die Resultate koordi­niert und gegenüber der Auftrag­ge­berin Lösungs­op­tionen für die Unter­neh­mens­nach­folge vertritt.

In der schwei­ze­ri­schen KMU-Welt und aus Kosten­gründen dürfte für viele Auftrag­geber die Variante II im Vorder­grund stehen. Variante I verstösst gegen den Grundsatz, dass man in eigener Sache ein schlechter Ratgeber ist; Variante III verlangt eine bestimmte Mandats­grösse und bedingt, dass der GU-Berater bei allen Themen eine seriöse Sach- und persön­liche Kompetenz mitbringt.

Wie lässt sich der Mehrwert einer eigenständigen Nachfolge-Dienstleistung messen?

Nach dem Gesagten bleibt die Frage, wie sich der Mehrwert einer eigen­stän­digen Nachfolge-Dienst­lei­stung misst. Der eigent­liche Mehrwert der Nachfolge–Dienstleistung ist nicht immer kurzfristig messbar; vielmehr zeigt sich erst im Lauf der Jahre, ob die mit Unter­stützung des Nachfolge-Beraters gewählte Nachfolge-Lösung nachhaltig ist. Die Frage darf gestellt werden, für wen die getroffene Lösung am Schluss gut sein soll. Soll die Lösung primär gut sein für den Verkäufer, die nachfol­gende Generation und / oder das Unternehmen? 

Idealer­weise können alle drei “Parteien” im Nachgang mit gutem Gewissen sagen, dass die Lösung stimmig ist und funktio­niert – auch wenn eine getroffene Lösung meines Erachtens nie perfekt ist, im Sinne dass die Wünsche aller Betei­ligten maximal erfüllt werden können. Das ist nicht möglich. Ziel einer erfolg­reichen Nachfolge sollte es vielmehr sein, im Dreieck “überge­bende Generation – überneh­mende Generation – Unter­nehmung» eine Win-Win-Win-Situation zu erzielen.

Welche Beratungspersönlichkeit passt zu mir und meinem Nachfolgeprozess?

  • Wie viel Nähe und Distanz zwischen Kunde und Beratungs­person ist gut?
  • Wie viel Abhän­gigkeit und Unabhän­gigkeit zwischen Kunde und Beratungs­person ist gesund?
  • Wie viel intrin­sische oder pekuniäre Motivation bringt die Beratungs­person mit?
  • Soll die Beratung Inter­es­sens­ver­tretung einer Partei sein oder Allpar­tei­lichkeit einbringen?
  • Wie soll die Balance zwischen Fachbe­ra­tungs­kom­petenz und Genera­li­sten­wissen gestaltet werden?
  • Wo liegt die Balance zwischen Hard- und Soft-Factor-Themen?
  • Wie wird eine adäquate Kommu­ni­kation gegenüber den verschie­denen Anspruchs­gruppen sichergestellt?

Mehr zum Thema Nachfolgeberatung

Für alle, die sich vertieft mit dem Thema “KMU Nachfolge-Beratung” ausein­an­der­setzen möchten, empfehlen wir folgende weiter­füh­rende Inhalte:

Bildnachweis: Su_Gus / Shutterstock.com | Darstel­lungen: St. Galler Nachfolge, Josef Bühler

ÜBER JOSEF BÜHLER

Als Nachfol­ge­be­rater und ‑begleiter unter­stützt und berät Josef Bühler Unter­neh­me­rinnen und Unter­nehmer. Er verfolgt dabei das Ziel einer nachhal­tigen Unter­neh­mens­nach­folge. Den Nachfol­ge­prozess führt er im Interesse der Unter­nehmung und gleich­zeitig mit Blick auf die überge­bende wie auch die überneh­mende Generation.