Blog 26: Spezialfälle bei der Finanzierung einer Unternehmensnachfolge — wie es trotzdem klappt

Die Finan­zierung einer Unter­neh­mens­nach­folge ist eine Heraus­for­derung. Um den Kauf eines KMU zu finan­zieren und allfällige Finan­zie­rungs­lücken zu schliessen, gibt es verschiedene Möglich­keiten (siehe Blog 25). Welche Möglich­keiten gibt es aber in Situa­tionen, bei denen die Bankfi­nan­zierung erschwert wird, weil z.B. hohe Investi­tionen anstehen, das KMU einen laufenden Covid-19-Kredit hat oder bei Finan­zie­rungen mit verschie­denen Geldgebern zusammenarbeitet?

Bei einer Unter­neh­mens­nach­folge können die Überneh­menden den Kaufpreis selten vollständig aus eigenen Mitteln finan­zieren, insbe­sondere dann nicht, wenn die Firma von leitenden Angestellten (MBO / Management-Buy-Out) übernommen oder extern an Dritte verkauft wird (MBI / Management-Buy-In). Meistens braucht es einen Bankkredit. Ein solcher Kredit ist von der Ertrags­kraft des Unter­nehmens, der Kaufpreishöhe, vom Eigen­ka­pital und von der Fachkom­petenz der Nachfolger oder des Nachfolgers abhängig. Wenn die eigenen Mittel und ein Bankkredit nicht ausreichen, kann ein Verkäu­fer­dar­lehen die Finan­zie­rungs­lücke füllen.

Keine Nachfolge gleicht der anderen. Das gilt auch für die Finan­zierung: jede Unter­neh­mens­nach­folge wird auf ihre Art finan­ziert. Die Beurtei­lungs­kri­terien für eine Bankfi­nan­zierung sind aber jeweils dieselben. Deren Schwer­punkte können aber variieren.

In der Regel ist es so, dass eine Bankfi­nan­zierung innert 4 bis 6 Jahren aus den opera­tiven Mitteln (Cash Flow) des zu überneh­menden Unter­nehmens vollständig zurück­be­zahlt werden muss. Während dieser Zeit sind auch die Zinsen für die Bankfi­nan­zierung daraus zu decken. Das funktio­niert in den meisten Fällen so, dass die Nachfolger die künftig zu erwirt­schaf­teten Gewinne praktisch zu 100% als Dividenden beziehen müssen. Mit diesen Dividen­den­ein­nahmen werden die Zinsen und Reduk­tionen der Bankfi­nan­zierung bezahlt.

Nun gibt es aber Situa­tionen, die eine Bankfi­nan­zierung erschweren und als Folge davon eine Nachfol­ge­fi­nan­zierung noch heraus­for­dernder gestalten. Einige Situa­tionen werden in der Praxis regel­mässig angetroffen. Wir werden sie in diesem Blog-Beitrag näher betrachten:

  • Laufender Covid-19-Kredit
  • Ausser­or­dent­liche Investitionen
  • Mehrere Fremd­ka­pi­tal­geber

KMU mit laufendem Covid-19-Kredit

Von März 2020 bis Ende Juli 2022 konnten Unter­nehmen rückzahlbare Covid-19-Kredite beantragen, um ihre Liqui­di­täts­be­dürf­nisse während der ersten Monate der Covid-19-Epidemie sicher­zu­stellen. Dabei konnten Bankkredite aufge­nommen werden, die durch einer vom Bund anerkannten Bürgschafts­or­ga­ni­sation verbürgt wurden. Damals wurden insgesamt rund 138’000 solcher Kredite mit einem totalen Kredit­vo­lumen von CHF 17 Milli­arden gewährt.

So lange ein Unter­nehmen einen Covid-Kredit benutzt, darf es keine Darle­hens­ge­währung an naheste­hende Personen und keine Ausschüttung der Dividende vornehmen.

Thomas Gissel­brecht, Rechtsanwalt

Von dieser Möglichkeit haben auch Unter­nehmen Gebrauch gemacht, die damals in einem Nachfol­ge­prozess standen oder danach einen solchen Prozess initiiert haben. Es ist wichtig zu wissen, dass während der Dauer eines Covid-19-Kredites Dividenden aus dem Unter­nehmen verboten sind (Art. 2, Absatz 2 Covid-19-SBüG). Diese Kredit­be­stimmung war damals vielen Inhabern nicht oder zu wenig bewusst, mussten sie doch innert sehr kurzer Zeit handeln und ihre Existenz sichern bzw. diejenige des Unter­nehmens. Ähnlich verhält es sich, wenn sogenannte Härte­fall­gelder bezogen wurden. Ein sogenanntes Dividen­den­verbot gilt jedoch befristet. Dabei ist die jeweilige kantonale Regelung zu konsultieren.

Im Kontext von Nachfol­ge­fi­nan­zie­rungen bedeutet dies, dass eine Bankfi­nan­zierung nicht durch künftige Dividenden (Gewinne) finan­ziert werden kann, weil Dividenden nicht erlaubt sind. Eine klassische Nachfol­ge­fi­nan­zierung kann somit nicht gewährt werden.

Der Kaufpreis der Aktien, die im Zuge einer Nachfol­ge­re­gelung übergeben werden, wird vom Käufer oft über mehrere Jahre hinweg bezahlt. In der Regel nimmt der Käufer diesen Kaufpreis aus der Dividende der Unter­nehmung. Das ist derzeit nicht möglich für Firmen, die sich ab März 2020 in einen Nachfol­ge­prozess begeben haben und einen laufenden Covid-Kredit haben.

Thomas Gissel­brecht, Rechtsanwalt

Wenn bei einem Unter­nehmen mit einer bevor­ste­henden Nachfol­ge­re­gelung ein Covid-19-Kredit besteht, können folgende Optionen als Lösungs­mög­lich­keiten geprüft werden:

  • Privat- anstatt Holding­über­nahme: Wenn es die Übernah­me­struktur (konkret Privat­über­nahme anstatt Holding­struktur) zulässt, soll die Rückführung nicht durch die Auszahlung von künftigen Gewinnen, also Dividenden, sondern durch Lohnbezüge der Nachfolger (Löhne, Boni, etc.) finan­ziert werden. Selbst­ver­ständlich sind die (steuer-)rechtlichen Rahmen­be­din­gungen im Einzelfall zu prüfen sowie die Vor- und Nachteile gegenüberzustellen.
  • Covid-19-Kredit zurück­zahlen: Bei vollstän­diger Rückzahlung und Kündigung des Covid-19-Kredits entfällt auch das Dividen­den­verbot. Somit kann eine klassische Nachfol­ge­fi­nan­zierung in Betracht gezogen und vereinbart werden. Bei dieser Option ist sicher­zu­stellen, dass das Unter­nehmen nach Rückzahlung des Covid-Kredits weiterhin über ausrei­chend Liqui­dität verfügt, um das operative Geschäft zu finanzieren.
  • Covid-19-Kredit umschulden: Eine weitere Option besteht darin, den Covid-19-Kredit durch eine normale Bankfi­nan­zierung zu ersetzen. Dies kommt auch einer Rückzahlung des Covid-Kredits gleich. Ein solcher Bankkredit ist jedoch im Gegensatz zum verbürgten Covid-Kredit — der bis CHF 500’000 zu 0% verzinst wird — teurer, was die Gesamt­fi­nan­zie­rungs­kosten und Abhän­gigkeit zur Bank erhöht. Aber auch die Risiken für eine Bank steigen, weil keine Bürgschaft besteht. 

Solange Covid-Kredite bestehen oder die entspre­chende Frist bei Härte­fall­gelder nicht abgelaufen ist, sind Nachfol­ge­fi­nan­zie­rungen erschwert umsetzbar, sofern sie aus Dividen­den­ein­nahmen finan­ziert werden sollen, die von der Firma generiert werden, die übernommen wird.

Es stehen ausserordentliche Investitionen an

Eine weitere Situation, welche die Nachfol­ge­fi­nan­zierung durch eine Bank erschweren kann, liegt vor, wenn Unter­nehmen in den letzten Jahren vor der Übergabe Ersatz­in­ve­sti­tionen vernach­läs­sigen oder diese hinaus­zögern. Gründe dafür können sein, dass höhere Gewinne bzw. Cash Flows erwirt­schaftet oder bestimmte Investi­ti­ons­ent­scheide den Nachfolgern überlassen werden sollen. Als Käufer eines solchen KMU stellt sich dabei die Frage, ob damit ein Investi­ti­onsstau bzw. ein grosser, ausser­or­dent­licher Investi­ti­ons­nach­hol­bedarf besteht. Dies führt dazu, dass das Unter­nehmen mit den künftig zu erwirt­schaf­tenden Gewinne mehr als nur die Ersatz­in­ve­sti­tionen zu tragen hat. Somit stehen auch weniger Mittel für die Verzinsung und Rückzahlung der Nachfol­ge­fi­nan­zierung zur Verfügung. Dasselbe gilt auch, wenn das Unter­nehmen bzw. die Nachfolger stark wachsen wollen und dafür z.B. in neue, zusätz­liche Maschinen investieren.

Wenn es nebst der Nachfol­ge­fi­nan­zierung auch Spielraum für Investi­tionen braucht, ist es ist wichtig, dass anste­hende Investi­tionen sowie die Gründe dafür frühzeitig und trans­parent mit der Bank thema­ti­siert werden.

Daniele Ruggeri, Finanzierungsexperte

In einem solchen Fall wird sich die Bank inten­siver mit der möglichen Höhe der Bankfi­nan­zierung ausein­an­der­setzen. Dabei wird sie sich mit der Käufer­schaft einigen müssen, welcher Anteil der erwirt­schaf­teten Mittel (Cash Flow) für die (Wachstums-)Investitionen und welcher für die Kredit­rück­zahlung verwendet werden soll. Dies ist einfacher gesagt als getan. Eine Bank möchte ja nicht diejenige Partei sein, welche das Unter­nehmen in der künftigen Entwicklung hindert. Dennoch soll eine für beide Seiten vertretbare Lösung gefunden werden. Das kann durchaus in einem Kompromiss resultieren.

Um in einer solchen Situation vorbe­reitet zu sein, sollte sich die Käufer­schaft frühzeitig mit den wirklich notwen­digen Ersatz­in­ve­sti­tionen ausein­an­der­zu­setzen und sich folgende Fragen beantworten:

  • Welches sind die Ersatz­in­ve­sti­tionen der kommenden Jahre?
  • Welche dieser Investi­tionen sind wirklich notwendig (Muss-Investi­tionen) und welche sind nicht zwingend und sozuagen “nice to have” (Kann-Investi­tionen)?
  • Welche Investi­tionen sind nur für ein gewünschtes Wachstum nötig? 

Die Antworten auf diese Fragen sind eine gute Basis für das Gespräch mit der Bank, um für alle Parteien bei den gegebenen Rahmen­be­din­gungen eine sinnvolle und vertretbare Lösung zu finden.

Wenn es mehrere Fremdkapitalgeber gibt

KMU einer gewissen Grösse pflegen oftmals Bezie­hungen zu mehreren Banken, teils aus histo­ri­schen, teils aus strate­gi­schen Überle­gungen. Vielfach verfügt das KMU bei diesen Banken jeweils über indivi­duelle Kredit­li­miten zur Deckung der opera­tiven Finan­zie­rungs­be­dürf­nissen. Es gibt also mehrere Fremdkapitalgeber.

Nachfol­ge­fi­nan­zie­rungen sind in der Regel so ausge­staltet, dass der Bankkredit den Nachfol­ge­rinnen oder den Nachfolgern (Privat­per­sonen oder einer Holding) gewährt wird (und nicht dem KMU selber) und der Kredit aus künftigen Gewinnen des Unter­nehmens finan­ziert wird. Ohne anders­lau­tende Verein­barung steht ein solcher Bankkredit in Konkurrenz zu den übrigen Kreditlimiten/Kreditgebern auf opera­tiver Stufe des Unternehmens.

Hinzu kommt, dass den Kredit­li­miten des Unter­nehmens operative Cash Flows gegen­über­stehen, die (in der Regel) täglich anfallen. Bei Übernah­me­fi­nan­zie­rungen stehen Dividen­den­ein­nahmen gegenüber, die norma­ler­weise nur einmal im Jahr eingehen. Da die Cash Flows nur einmal anfallen und mit diesen Mitteln die gesamte Verschuldung zu tragen ist (operative Verschuldung und Nachfol­ge­fi­nan­zierung), schränken die opera­tiven Kredit­li­miten die mögliche, zusätz­liche Verschuldung für die Nachfol­ge­fi­nan­zierung ein. Wie nun geht man mit einer solchen Situation um? 

Bei einfachen und reduzierten Bankbe­zie­hungen kann eher ein schlankes Kredit­ver­tragswerk ausge­ar­beitet werden, welches das Unter­nehmen nicht zu stark einschränkt.

Daniele Ruggeri, Finanzierungsexperte

Die Bank, welche die Nachfol­ge­lösung finan­ziert, kann die bestehenden opera­tiven Kredit­li­miten akzep­tieren und dem KMU die absolute Freiheit lassen, was mit diesen Limiten künftig passieren darf (u.a. Ausweitung, zusätz­liche Bank(limite), etc.). Dies ist jedoch die Ausnahme. In der Regel verlangt die finan­zie­rende Bank eine der folgenden Szenarien:

  • die Kredit­li­miten müssen bei der finan­zie­renden Bank konzen­triert werden und die Bank wird damit zur allein­kre­dit­ge­benden Bank des KMU,
  • die Kredit­li­miten müssen angepasst (reduziert) werden und / oder
  • die Höhe der Fremd­li­miten werden eingeschränkt.

Eine weitere Möglichkeit ist, dass das KMU mit der Bank eine maximale Verschuldung vereinbart, die auf einen bestimmten, wieder­keh­renden Stichtag einzu­halten ist (ein sogenannter Financial Covenant). Ähnlich verhält es sich, wenn weitere Fremd­ka­pi­tal­geber (Nicht­banken) dem KMU Darlehen gewährt haben (z.B. Aktionäre, Geschäfts­partner). Im Kontext einer Nachfol­ge­fi­nan­zierung kann sich deshalb eine Verein­fa­chung und Konso­li­dierung der Banken­be­zie­hungen lohnen.

Schlussfolgerungen

Die Finan­zierung von Unter­neh­mens­nach­folgen ist in der Regel allein schon eine grosse Heraus­for­derung. Wenn Spezi­al­si­tua­tionen vorliegen, wie oben aufge­führt, erschwert das die Finan­zierung zusätzlich.

Die erwähnten Situa­tionen sind nicht abschliessend und jede Nachfolge ist indivi­duell zu betrachten. Wenn im Rahmen von Nachfol­ge­re­ge­lungen eine Bankfi­nan­zierung aufge­nommen werden soll, ist so früh wie möglich das Gespräch mit der Bank zu suchen. Damit ist sicher­ge­stellt, dass die Käufer­schaft und die Bank sich frühzeitig gegen­seitig infor­mieren und dabei ihre Vorstel­lungen und Möglich­keiten von Anfang an darlegen können. Zudem können auch die dafür nötigen Voraus­set­zungen und Erwar­tungen besprochen werden.

Für alle, die sich vertieft mit dem Thema “KMU Nachfolge und Finan­zierung” ausein­an­der­setzen möchten, haben wir folgende Inhalte aufbereitet:

Im Download-Center finden Sie zudem unter dem Schlagwort “Trans­ak­ti­ons­kosten” ergän­zende Arbeitsblätter.

Fotonachweis: Shutter­stock

ÜBER DANIELE RUGGERI

Daniele Ruggeri ist langjäh­riges Kader­mit­glied der Zürcher Kanto­nalbank und verfügt über grosse Erfahrung in der Finan­zierung von KMU. Er war viele Jahre als Firmen­kun­den­be­treuer von KMU tätig. Sein heutiges Kernthema ist die Begleitung und Finan­zierung von Nachfol­ge­lö­sungen von KMU. Als Dozent an verschie­denen Weiter­bil­dungs­in­sti­tuten gibt er sein theore­ti­sches und prakti­sches Wissen zum Thema Nachfol­ge­fi­nan­zie­rungen weiter.