Das Rahmenkonzept
verstehen und anwenden

Worum geht es beim Modell?

Das St. Galler Nachfolge-Modell ist ein Rahmen­konzept für die ganzheit­liche Unter­neh­mens­nach­folge. Es bildet alle Themen­be­reiche, Aspekte und Dimen­sionen ab, um die es bei einer ganzheit­lichen Unter­neh­mens­nach­folge geht und die es zu klären bedarf, um eine Nachfolge nachhaltig und erfolg­reich zu gestalten. Das Modell ermög­licht Beratungs­per­sonen, Unter­neh­me­rinnen und Unter­nehmern ein indivi­du­elles Vorgehen, das struk­tu­riert ist und stellt sicher, dass nichts vergessen geht, was für einen wirksamen Nachfol­ge­prozess relevant ist.

Folgende Grund­sätze und Empfeh­lungen bilden die Basis des St. Galler Nachfolge-Modells:

  • Beant­worte die Frage „Was will ich?“ und entwickle die Nachfolge entlang der sechs Gestaltungsdimensionen.
  • Beant­worte die Frage „Wie setze ich es um?“ und bearbeite die fünf zentralen Themen­felder der Nachfolge (5‑Themen-Rad) und zwar sowohl als überge­bende wie auch als überneh­mende Partei.
  • Eine Nachfolge muss schliesslich auf drei unter­schied­lichen Ebenen erarbeitet und bearbeitet werden: trenne normative, strate­gische und operative Fragen. Sich ausschliesslich mit der opera­tiven Umsetzung zu befassen, reicht in der Regel nicht für eine nachhaltige Nachfolgelösung.

Schritt 1

Klarheit schaffen: was will ich konkret?

Die 6 Gestaltungs-Dimensionen – wie man die Nachfolge gestalten möchte

Das St. Galler Nachfolge-Modell definiert 6 Dimen­sionen, die während einem Nachfol­ge­prozess aktiv gestaltet werden. Bei den Gestal­tungs­di­men­sionen geht es um:

  • die Übertra­gungs­option und damit um die Frage „An wen soll das Übertra­gungs­objekt gehen?“
  • das Überta­gungs­objekt und damit um die Klärung, was genau Gegen­stand der Unter­neh­mens­nach­folge ist.
  • die Übertra­gungs­ebene und damit um die Frage, ob es sich um eine Eigentums- , Führungs- oder Vermö­gens­nach­folge handelt.
  • den Umgang mit Gerech­tigkeit und Fairness und dem Abgleichen der Erwar­tungs­hal­tungen aller Invol­vierten rund um diese Themen.
  • die Gestaltung der Gover­nance-Struk­turen, Instru­mente und Prozesse und damit um die Frage, wie und über welche Wege die Familie auf das Unter­nehmen, und später auf das Vermögen, Einfluss nehmen kann.
  • das Zeit- und Projekt­ma­nagement und damit um die konkrete Planung der Unternehmensnachfolge.

Die Gestal­tungs-Dimen­sionen können vielfältig kombi­niert werden, sodass für hoffentlich jede Situation passende Antworten gefunden werden, ganz im Sinne des Grund­satzes „Denken und Handeln in Nachfolgeszenarien“.

Die Haupt­frage lautet: An wen soll das Unter­nehmen übertragen werden?

Grosse Aufmerk­samkeit soll den funda­men­talten Unter­schieden zwischen den verschie­denen, nachfolgend aufge­führten, Nachfol­ge­op­tionen geschenkt werden: die famili­en­in­terne Nachfolge (FBO), die Übertragung an Mitar­bei­tende (MBO) oder an (noch) unbekannte unter­neh­me­rische Persön­lich­keiten (MBI), und schluss­endlich der Verkauf an strate­gische Investoren oder Finanz­in­ve­storen (M&A). Auch eine ordent­liche Geschäfts­aufgabe gilt es als valable Option zu evaluieren.

Die Haupt­frage lautet: Was soll übertragen werden?

Gerade im Kontext von famili­en­ge­führten KMU ist nicht immer offen­sichtlich, was denn übertragen werden soll. Handelt es sich um ein funktio­nie­rendes Geschäfts­modell oder um eine Substanz, die eventuell gar nicht mehr betriebs­not­wendig ist? Ist ein sogenannter Share-Deal möglich oder wird ein Asset-Deal priori­siert? Auch hier gilt es, alle strate­gi­schen Fragen zu beant­worten, bevor eine technische Umsetzung lanciert wird.

Die Haupt­frage lautet: Auf welcher Ebene soll die Unter­neh­mens­nach­folge gestaltet werden?

Wir empfehlen die Unter­scheidung von folgenden drei Ebenen: Führungs­nach­folge, Eigen­tums­nach­folge und Vermö­gens­nach­folge. Letzteres vor allem im Kontext eines FBO (Family Buy Out – famili­en­in­terne Nachfolge).

Die Haupt­frage lautet: Wer bekommt wovon, von wem, wieviel?

Der Fokus liegt dabei zum einen auf der Vertei­lungs­ge­rech­tigkeit. Da unter­scheiden wir zwischen Leistungs-Prinzip, Gleich­heits-Prinzip und Bedürfnis-Prinzip. Zum anderen geht es auch um die Prozess­ge­rech­tigkeit, die von grosser Bedeutung isst, damit die Nachfol­ge­lösung von allen Parteien und Invol­vierten mitge­tragen wird.

Die Haupt­frage lautet: Was wird von wem, wann und auf welcher Grundlage entschieden?

Insbe­sondere im zeitlichen Ablauf stellt diese Dimension eine der kräftigsten Dimen­sionen dar, um eine Unter­neh­mens­nach­folge zu gestalten und zu steuern. Unsicher­heiten sollten möglichst bald abgebaut werden. Die Kunst liegt dabei in der Balance zwischen Stabi­lität und Flexibilität.

Die Haupt­frage lautet: Wer macht was, bis wann?

Nachfolge ist solange ein Prozess, solange es Bewegung in der Sache gibt. Es ist deshalb wichtig, sicher­zu­stellen, dass Meilen­steine und Folge­be­spre­chungen definiert, abgehalten und dokumen­tiert werden. Damit bleibt der Prozess am Laufen..

Weitere für die Praxis relevanten Fragen beant­worten wir auf unsserer Plattform St. Galler Nachfolge-Praxis.
Dort finden Sie auch weiter­füh­rende Themen-Dossiers zum Thema Unternehmensnachfolge.
Schritt 2

Die Nachfolge umsetzen:
wie mache ich es konkret?

Das 5‑Themen-Rad – was es für die Umsetzung braucht

Sobald klar ist, worum es bei der Nachfolge konkret geht, was also der Unter­nehmer oder die Unter­neh­merin genau will, steht die Frage im Raum, wie diese Nachfolge konkret umgesetzt werden soll.

Um dabei struk­tu­riert vorgehen zu können, hat das St. Galler Nachfolge-Modell fünf Themen­be­reiche definiert, die es im Rahmen einer Unter­neh­mens­nach­folge zu bearbeiten gibt. Die Themen­felder sind gegen­seitig vonein­ander abhängig und müssen immer wieder über die Zeit hinweg reflek­tiert werden. Wie intensiv die Bearbeitung eines Themen­feldes ist oder wie stark es gewichtet wird, hängt einer­seits davon ab, in welcher Phase sich der Nachfol­ge­prozess befindet. Anderer­seits hat es einen Einfluss, ob das Thema von der Überge­ber­seite oder von der Überneh­mer­seite bearbeitet wird.

Folgende fünf Themen­be­reiche müssen bei jeder Nachfolge bearbeitet werden:

Was sind aktuelle und künftige Ziele und Präfe­renzen? Welche Werte, Ansichten, Bedürf­nisse und Erwar­tungen gibt es, wo ist der gemeinsame Nenner und wie lautet das gemeinsam angestrebte Ziel?

Wie ist die Alters­vor­sorge gestaltet? Wie gehen wir innerhalb der Familie mit Alters­ri­siken, Tod, Invali­dität, Krankheit sowie geistiger oder körper­licher Bedürf­tigkeit um? Wie möchten wir das soziale Netz und unsere Bezie­hungen gestalten und pflegen. Sowie — ganz wichtig und oft vernach­lässigt — wie gestalten wir den sozialen Status und die Verän­derung vom Unter­nehmer zum Pensionär?

Stabi­lität und Fitness des Unter­nehmens: gibt es für das Unter­nehmen auf dem Markt auch in den kommenden 10 Jahren eine Daseins­be­rech­tigung — ist die Firma nachfol­ge­würdig? Und ebenso wichtig: ist die Firma auch nachfol­ge­fähig? Ist das Unter­nehmen so aufge­stellt, dass es auch erfolg­reich weiter­ge­führt werden kann, wenn der Verkäufer oder die Verkäu­ferin nicht mehr die Fäden in der Hand hält?

Die recht­lichen Hürden bei der Umsetzung einer Nachfolge sind zahlreich und nicht zu unter­schätzen. U.a. kommen Gesell­schafts­recht, Ehe- und Erbrecht, Sozial­ver­si­che­rungs­recht sowie Steuer­recht zum Tragen. Es lohnt sich, mit Fachex­perten zusam­men­zu­ar­beiten, die bereit sind, die bestmög­liche Lösung im Sinne der Parteien auszu­ar­beiten. Dafür ist es notwendig, die wichtigsten Abklä­rungen zur Vorbe­reitung der Nachfolge (Stichwort: Umwan­dungen, Umstruk­tu­rie­rungen, Entflech­tungen) frühzeitig anzugehen, weil teilweise mehrjährige Fristen gelten.

Wenn es um die Preis­findung geht, sollte man sich in erster Linie bewusst sein, dass der Wert nicht der Preis ist (siehe dazu auch unseren Beitrag “Wie verhandle ich einen fairen Verkaufs­preis”). Um einen Verkaufs­preis zu bestimmen, spielen zudem die Unter­neh­mens­be­wertung (Was ist meine Firma wert?) und die Finan­zierung des Preises (Wie finan­ziere ich eine KMU-Übernahme?) eine Rolle. Auch hier sollte man genügend Zeit einrechnen für entspre­chende Abklä­rungen und Beratungen.

Unternehmer:innen und Nachfolger:innen, die sich mit den 5 Themen und den damit verbun­denen Frage­stel­lungen ausein­an­der­setzen, erschaffen sich ein Fundament für eine nachhaltige Nachfol­ge­lösung. Sie durch­laufen damit einen spannenden Kommu­ni­ka­tions- und Trans­for­ma­ti­ons­prozess. In vielen der fünf Themen­be­reiche ist es zielführend, Fachex­perten beizuziehen.

Auf St. Galler Nachfolge-Praxis finden Sie zahlreiche Arbeits­mittel zum Download, die Sie bei der Reflexion und in einzelnen Themen­be­reichen unterstützen.

Weitere für die Praxis relevanten Fragen beant­worten wir auf unsserer Plattform St. Galler Nachfolge-Praxis.
Dort finden Sie auch weiter­füh­rende Themen-Dossiers zum Thema Unternehmensnachfolge.

Drei Ebenen der Nachfolge

Ein Nachfol­ge­prozess spielt sich auf drei Ebenen ab. Es ist absolut relevant, dass eine Nachfolge auf diesen drei Ebenen erarbeitet wird und nicht nur die operative Umsetzung im Zentrum steht.  Die Antworten auf normative und strate­gische Fragen bilden die Basis für die opera­tiven Umsetzungsentscheide.

1 — Normative Ebene

Die normative Ebene fokus­siert auf Werte, Prinzipien und die Kultur. Dabei geht es um die Bedürf­nisse, Erwar­tungen und die Haltung der invol­vierten Personen und gleich­zeitig um die Kultur des Unter­nehmens und der Familie.

2 — Strategische Ebene

Bei der strate­gi­schen Ebene geht es darum, wie sich das Unter­nehmen und die Familie in den kommenden fünf bis zehn Jahren strate­gisch ausrichten und positio­nieren möchte.

3 — Operative Ebene

Die operative Ebene befasst sich damit, dass die definierten Ziele in gültige, verbind­liche und funktio­nie­rende Lösungen übertragen werden.

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Nachfol­ge­pro­zesse plötzlich holpern, weil zentrale Fragen auf norma­tiver und strate­gi­scher Ebene unzurei­chend, zu spät oder gar nicht thema­ti­siert worden sind. Vielfach liegt der Fokus haupt­sächlich auf den opera­tiven Aspekten wie z.B. Unter­neh­mens­be­wertung oder Finan­zie­rungs­kon­zepte. Sich ausschliesslich mit der opera­tiven Umsetzung zu befassen, reicht in der Regel nicht für eine nachhaltige Nachfolgelösung.